Ein Aus für Duederer, Rouja, Gäertchesbiir, Karschnatzpromm, .... und andere lokale Luxemburger Obstsorten

Wenn es nach dem Willen der EU-Kommission geht, werden Bäume oder Edelreiser von Lokalsorten wie Duederer, Rouja, Karschnatzpromm, Gärtchesbiir, ... uvm. demnächst nicht mehr verkauft werden können. Das bedeutet das Aus für den Erhalt dieser Sorten, da eine Vermehrung und Verbreitung nur über den Edelreiser- und Pflanzenverkauf möglich ist.

Viele ältere Luxemburger kennen sie noch: Duederer, eine große gelbe Eierpflaume, die im Schengener Dreiländereck verbreitet ist und dort zum Brennen, aber auch zum Backen, Einkochen und zur Marmeladenherstellung kultiviert wird. Ähnlich sieht es mit den rotbunten Kirschen Rouja, Choque oder Straußen aus, die heute besonders noch im Südosten des Landes (Trintingertal) zu finden sind. Im Ösling sind es Sorten, wie etwa die Gäertchesbiir, eine Kochbirne, die nur regional verbreitet und namentlich bekannt sind.

Neben diesen prominenteren Sorten, die meist eine regionale Verbreitung besitzen haben die pomologischen Erhebungen von natur&ëmwelt – Fondation Hëllef fir d’Natur in den letzten Jahren zahlreiche derartige lokale Obstsorten aufgespürt. Bei fast allen Funden handelt es sich um Sorten aus dem Hochstammanbau, wie er in traditionellen Bongerten gang und gäbe war.

Der dramatische Rückgang der Bongerten und des damit verbundenen Verlustes an wertvollem Lebensraum für Tier- und Pflanzenarten hat zumindest den Naturschutz auf den Plan gerufen. Bongerten gehören heute in Luxemburg zu den laut Naturschutzgesetz geschützten Biotopen. Der Erhalt und die Neuanlage von Bongerten funktioniert aber nur auf der Grundlage traditioneller Sorten, die für den Hochstammanbau geeignet sind. Bongertenerhalt ist folglich untrennbar mit dem Erhalt alter Sorten verbunden.

Anders, als in der von der Europäischen Kommission 2011 proklamierten Biodiversitätsstrategie für das Jahr 2020 (COM(2011) 244) hat die Kommission im Mai 2013 einen umfassenden Verordnungsentwurf zur Vereinfachung und Vereinheitlichung des innereuropäischen Marktes von Pflanzenvermehrungsmaterial, phytosanitären Rahmenbedingungen und Kontrollen vorgelegt (COM (2013) 262). Dieser Entwurf steht in Konflikt zur o.g. Biodiversitätsstrategie, berücksichtigt er doch zu wenig die Belange des Erhaltes und der Sicherung der genetischen Vielfalt im Bereich der Kulturpflanzen. Die luxemburgische Kulturpflanzenerhaltungsinitiative SEED hat im Dezember 2013 ein Positionspapier veröffentlicht, in dem sie auf die zukünftigen Auswirkungen dieses Verordnungsentwurfes hinweist und Forderungen bzw. Änderungsvorschläge unterbreitet. Zahlreiche luxemburgische Organisationen haben dieses Positionspapier mit unterzeichnet.

 

Die zentrale Voraussetzung, damit Pflanzenvermehrungsmaterial (PVM), also Saatgut, Knollen, Zwiebeln oder Edelreiser in der EU gehandelt werden können, ist deren Registrierung im nationalen und/oder europäischen Sortenkatalog. Vom Geltungsbereich der Verordnung ausgenommen ist nur PVM, das unentgeltlich zwischen Privatpersonen getauscht wird oder das für wissenschaftliche Zwecke, für Genbanken oder Erhaltungsnetzwerke gedacht ist. Das von natur&ëmwelt in den letzten Jahren verfolgte Konzept von Sortenbongerten (vergers conservatoires) könne man zwar hier ansiedeln, es würde aber ausschließlich den in-Situ Erhalt von Sorten auf derartigen Flächen abdecken. Eine darüber hinaus gehende Verbreitung und Anpflanzung wäre auf diesem Wege nicht möglich. Dabei ist gerade in den letzten Jahren das öffentliche Interesse an Lokalsorten deutlich gestiegen, sodass hier eine steigende Nachfrage besteht. Auf der Basis des derzeitigen Verordnungsentwurfes wäre aber weder der Verkauf oder die entgeltliche Weitergabe von Edelreisern oder Bäumen möglich.

Für Saatgut, also generativ vermehrtes PVM sieht der erste Entwurf der Verordnung eine Öffnung des Marktes für sog. Nischenmaterial vor (Art 36). Für dieses PVM ist keine Registrierung vorgeschrieben, solange die Sorten bestimmte Mengenkontingente und Verpackungsgrößen nicht überschreiten und als ‚Material für Nischenmärkte’ gekennzeichnet sind oder aber von kleineren Unternehmern auf den Markt gebracht werden. Gerade die Ausnahmeregelung über die Unternehmensgröße dürfte in der endgültigen Fassung der Verordnung fehlen, da es bereits in den derzeitigen Verhandlungen massive Kritik an diesem Punkt gegeben hat.

Für den Erhalt der Sortenvielfalt von lokalen Obstsorten nutzt die Nischenmarktregelung in der jetzigen Fassung allerdings nichts, da für sämtliches klonales, also vegetativ vermehrtes PVM eine Registrierung zwingend vorgeschrieben wird (Art 15). Als einzige Ausnahme lässt die Verordnung den Handel mit nicht registrierten Veredelungsunterlagen zu (Art 14 (2)), was im Hinblick auf die langfristige Sicherheit und Stabilität von Obstanlagen oder anderer Baumschulware nicht ganz nachvollziehbar ist.

Ein weiteres Türchen öffnet der Verordnungsentwurf den sog. ORD-Sorten , das sind Sorten, die bereits früher im Handel waren und über eine amtlich anerkannte Sortenbeschreibung (ORD officialy recognized description in Art 57) verfügen. Hier ist eine Vereinfachung des Registrierungsverfahrens vorgesehen. Für derartige Sorten ist es notwendig, dass die Beschreibung bereits vor dem Inkrafttreten der Verordnung vorlag und die Sorten bereits vor dem Inkrafttreten gehandelt wurden. Diese Voraussetzung erfüllen die meisten alten Sorten, die bereits pomologisch beschrieben wurden und nachweislich in älteren Baumschulkatalogen gehandelt wurden. Bei der Registrierung von ORD-Sorten sollen keine jährlichen Gebühren erhoben werden und sämtliche anderen Registrierungsgebühren sollen derart gestaltet werden, dass diese kein Hindernis für die Registrierung darstellen. Kleinere Unternehmen sollen sogar gänzlich von den Gebühren befreit werden. Die ORD-Regelung eröffnet also tatsächlich Perspektiven zum Erhalt der überregional verbreiteten traditionellen und pomologisch beschriebenen Sorten. Sorten, die früher nur lokal vermehrt wurden und die deshalb nicht in älteren Baumschulkatalogen auftauchen, fallen aber auch hier unter den Tisch.

In den letzten Jahren wurden in Luxemburg regelmäßig neue Lokalsorten entdeckt, die entweder einen Lokalnamen haben oder aber nur unter einem vorläufigen Arbeitstitel geführt werden. Hier werden in den kommenden Jahren noch weitere Forschungen und vergleichende Arbeiten notwendig sein um die Identität und ggf. die Einzigartigkeit derartiger Sorten im Kontext der Großregion zu klären. Fakt ist, dass viele dieser Sorten beim Inkrafttreten der Verordnung, was wahrscheinlich im Jahre 2016 der Fall sein wird, über keine ORD-Beschreibung verfügen werden und dass die meisten Lokalsorten nie über den Baumschulhandel vertrieben wurden. Für diese Sorten wäre dann eine Registrierung nur über den regulären Weg möglich, was mit einem unannehmbaren finanziellen und administrativen Aufwand verbunden wäre und in keiner Relation zum ökonomischen Marktwert dieser Sorten steht.

Es ist nicht nachvollziehbar, dass ausgerechnet lokal angepasste Sorten, die ggf. sogar Teil einer regionalen Kultur waren, von dem vorliegenden Verordnungsentwurf nicht berücksichtigt werden, sodass eine Verbreitung und damit ein Erhalt dieser Sorten zukünftig nicht möglich sein wird. Der einzige Weg wäre dann der unentgeltliche Tausch von Edelreisern oder Bäumen. Es zeigt sich aber immer wieder, dass die alten tradierten Formen der Weitergabe und des Erhaltes nicht ausreichen um den Erhalt zu sichern. Ein Verkauf und eine Kommerzialisierung derartiger Sorten sind der einzige Weg und auch zukünftig das Überleben derartiger Lokalsorten zu gewährleisten. Denn selbst über den Verkauf zu regulären Baumschulpreisen wird nur ein Bruchteil der real entstandenen Kosten abgedeckt. Die pomologische Bestimmung, das Werben von Edelreisern, die Handveredelung und die baumschulmäßige Aufzucht sind zeit- und arbeitsaufwändig und es ist mehr wie gerechtfertigt, dass diese Arbeit wenigstens zum Teil auch bezahlt wird.

Denn ein Ausschluß vom Markt bedeutet zwangsweise ein Aus für Duederer, Rouja, Gäertchesbiir, .... und anderen Luxemburger Lokalsorten.

Weitere Infos unter www.seed-net.lu